Wenn Leid gezüchtet wird
Qualzuchten beim Hund
Entzündete Hautfalten, rasselnder Atem, Hautfalten über den Augen,Stummelschwanz: Was für viele auf den ersten Blick niedlich erscheint, fügt Ihrem Liebling in Wirklichkeit großen Schaden und auch Leid zu. Viele dieser "niedlichen" Merkmale sind angezüchtet und hindern Ihren Vierbeiner an einem artgerechten Leben. Hier erfahren Sie alles über Qualzuchten, ihre Hintergründe und was Sie selbst dagegen tun können.
Die Definition Qualzucht: Ab wann spricht man von Qualzuchten?
Bei der Qualzucht handelt es sich um eine beabsichtigte Verpaarung und Vermehrung von Tieren, die Erbanlagen in sich tragen, die zum Ausbruch von Krankheiten oder sonstigen Schädigungen führen.
Es ist zu betonen, dass viele Qualzuchten nicht auf den ersten Blick als solche erkannt werden. Bei ihnen handelt es sich sehr oft um äußerlich nicht sichtbare Schädigungen. Erbkrankheiten werden genauso oft unbemerkt weitergegeben wie Deformation von Skelett und Organen. Durch die Qualzuchten werden wissentlich aber auch unwissentlich Schmerzen des Tieres, Fehlbildungen und
Tierleid zur Optimierung des Zuchtzieles in Kauf genommen.
Merkmale einer Qualzucht
Atemnot, Lahmheit, Entzündungen der Haut oder Bindehaut, Fehlbildungen der Körperform sowie des Gebisses und Schädels: Die Ausprägung der Merkmale für eine Qualzucht kann sehr unterschiedlich sein und schwere Folgen für das jeweilige Tier haben. Alle Hunde, die Qualzuchtmerkmale aufweisen, haben eins gemeinsam: Ihr Gesundheitszustand fordert häufigere tierärztliche Behandlungen oder eine intensivere Pflege durch ihre Halter. Die angezüchteten Defekte und ihre Folgen führen aber nicht nur zu lebenslangen Schmerzen, Schäden oder Verhaltensstörungen, sondern oft auch zu einem frühzeitigen Tod.
Die häufigsten Qualzucht-Merkmale sind:
- Kurzköpfigkeit (Brachytephalie)
- Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit
- Haarlosigkeit
- Kleinwüchsigkeit wie Teacuphunde
- Fehlbildung des Hüftgelenks
- Fehlstellung des Augenlids
- Hauteinstülpungen am Rücken (Dermoidzysten)
- Merle-Faktor (die Hunde tragen das Merle-Gen doppelt in sich, Merle Hunde können unter Taubheit und Blindheit leiden)
- Übermäßige Hautfaltenbildung
Wie es zu Qualzuchten bei Hunden kam
Entstanden sind Qualzuchten freilich über mehrere Generationen und nicht von heute auf morgen. Das Problem bei Qualzüchtungen sind die Rassestandards. Nach diesen Rassestandards werden die Elterntiere ausgesucht und verpaart. Je exakter das Ergebnis an die Standards heranreichen, umso erfolgreicher sind die Zuchtbetriebe bei Wettbewerben und umso mehr finanzieller Gewinn ist zu erwarten. Ob das Tier gesund ist oder nicht, ist sekundär, in erster Linie zählt das äußere Erscheinungsbild. Krankheiten, Schmerz und Verhaltensauffälligkeiten werden für einen profitablen Weiterverkauf billigend in Kauf genommen.
Wie kommt es zu einer Überzüchtung?
Von einer Überzüchtung spricht man, wenn es zu einer züchterischen Übersteigerung kommt, um bestimmte Leistungs-, Wesens- oder äußere Merkmale zu erzielen. Der Züchter wählt Elternpaare aus, die dem Zuchtziel möglichst entsprechende Merkmale aufweisen. Aus dem daraus entstandenem Wurf werden wiederum die dem Zuchtziel am passendsten Welpen zurückbehalten. Oft werden zur Paarung auch Geschwister oder Halbgeschwister verwendet, dies gilt als Inzucht.
Eine solche Überzüchtung erfolgt auf Kosten der Widerstandskraft der Tiere, führt zu vermehrtem Stress, zu verminderter Fruchtbarkeit und zu einem schlechteren physischen und psychischen Wohlbefinden. Bei solchen Überzüchtungen kommt es zu genetischen Verarmung; man spricht von einem zu kleinen Genpool.
Was kann man gegen Qualzüchtungen tun?
Qualzucht beim Hund - Das sagt das Tierschutzgesetz
Im deutsches Tierschutzgesetz wird das Thema in Paragraph 11b behandelt. Konkret heißt es dort:Tierschutzgesetz Paragraph (§) 11b
"(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung 1. bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder 2. bei den Nachkommen
1. a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten,
2. b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
3. c) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.
(2) Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für durch Züchtung oder biotechnische Maßnahmen veränderte Wirbeltiere, die für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1. die erblich bedingten Veränderungen und Verhaltensstörungen nach Absatz 1 näher zu bestimmen,
2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen Absatz 1 führen kann."
Demnach verbietet es der Paragraph 11b Zuchtziele so durchzusetzen, bei denen Schmerzen, Leid oder Schäden bei den Tieren entstehen können. Das Problem dabei ist, dass genau diese nicht einfach und objektiv zu bestimmen und nachzuweisen sind.
So gibt es aktuell keine verbindlichen Gesetze, um solche Zuchtmethoden zu unterbieten. Wird ein Züchter eventueller Qualzuchten angezeigt, endet dies oftmals ins einem sehr langen Verfahren, das mit vielen Komplikationen verbunden sein kann.
Damit Qualzuchten weniger werden und irgendwann ganz ausbleiben, braucht es ein höheres Bewusstsein für diese Problematik in unserer Gesellschaft. Uns Tierhaltern muss in erster Linie das Wohl des Tieres am Herzen liegen. Letztlich könnten auch die Medien einen wichtigen Teil beitragen, indem sie bewusstseinsbildend wirken.
Die Rolle der Zuchtverbände und ihrer Mitglieder
Die einzige tolerierende Zucht ist eine leidfreie Zucht und diese ist nur mit vollkommen gesunden Tieren möglich.
Zurzeit wird in den Zuchtverbänden diskutiert, ob eine Weiterzucht mit Qualzuchtindividuen unter Umständen zu befürworten sei. Es wäre dann zu befürworten, wenn diese Individuen verwendet werden würden, um in Zukunft - also nach mehreren Zuchtgenerationen - schmerz- und leidensfreie Nachkommen hervorzubringen. Da man dies aber nicht garantieren kann, ist auch diese sogenannte Rückzucht im Sinne des Tierwohls nicht zu tolerieren.
Die Rolle der Konsumenten
Meist ist dem Halter "nur" Unwissenheit vorzuwerfen. Wenn ihnen das durch ihr Handeln entstehende Tierleid bekannt oder bewusst sein würde, würden sie auf den Kauf der Rasse verzichten. Aus diesem Grund hilft bei diesem Thema nur die Aufklärung und Bewusstmachung. Tierliebhaber würden sich nie bewusst für eine Rasse entscheiden, die mit Krankheiten, Leiden, Schmerzen, einer verkürzten Lebenserwartung und oft auch hohen Tierarztkosten verbunden ist.
Nur gemeinsam können wir es schaffen, dass die Frage nach bestimmten Rassen und Rassemerkmalen nachlässt. Wenn den Hundehaltern bewusst wird, dass Gesundheit und tiergerechtes Leben ohne Leid wichtiger ist als das äußere, vielleicht auch drollige und gewünschte Erscheinungsbild, wird sich sicherlich etwas bei den Züchtern ändern. Der Konsument bestimmt auch hier bei Lebewesen was auf dem Markt angeboten wird.
Die Rolle der Medien
Für Werbezwecke werden sehr gerne beliebte Rassen wie der Mops mit seinen großen Augen und seiner kurzen Schnauze gewählt. Dasselbe gilt auch für die "putzigen" kleinen Teacup-Rassen. Diese Tiere entsprechen stark dem sogenannten Kindchenschema, dass spricht erwiesenermaßen die Halter und Halterinnen besonders an. Durch solch eine Werbung kommt es zu einer weiteren Verbreitung und Bekanntmachung bestimmter Rassen, die dann zu Moderassen werden.
Ähnliches gilt für Film, Fernsehen und die sozialen Netzwerke. Sie tragen stark zu einer erhöhten Nachfrage bei. Unwissentlich wird so das Tierleid gefördert. So tragen Medien als Multiplikatoren eine hohe Verantwortung.
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